Der nackte König

Iran und Polen 1979-1980

Hintergrundinformation

Iran und Polen 1979-1980

Im August 1953 stürzte ein Putsch, organisiert von den britischen und US-amerikanischen Geheimdiensten, die demokratisch gewählte Regierung des Ministerpräsidenten Mossadegh im Iran. Im Dezember 1970 liess die Partei- und Staatsführung in Polen auf demonstrierende Arbeiter in der Küstenstadt Gdansk schiessen. Beide Ereignisse hatten grossen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte viele Jahre später: Auf den Volksaufstand, der im Iran 1979 zum Sturz des Schahs führte, und auf die Massenstreiks in Polen im Sommer 1980 und die Bewegung der Solidarność. In Polen verlangten die streikenden Arbeiter im August 1980 die Errichtung eines Denkmals für die getöteten Arbeiter vom Dezember 1970. Und im Iran besetzten Studenten im November 1979 die US-amerikanische Botschaft und verlangten die Auslieferung des Schahs, der sich in den USA befand. Sie befürchteten, dass die USA einen neuen Putsch planten, um den Schah wieder als Machthaber einzusetzen.

Die Revolution im Iran wurde von breiten Kreisen der Bevölkerung getragen – von intellektuellen Kreisen, von den einflussreichen städtischen Basar-Händlern, von nationalistischen Kreisen, von Sozialisten und den politisch-islamischen Kreisen um den vom Schah ins Exil vertriebenenen Ayatollah Chomeini. Zu den ersten grossen Demonstrationen führte anfangs 1978 ein Artikel in einer regierungsnahen Zeitung, der Chomeini diskreditieren sollte. Chomeini wurde darin als Ausländer, als britischer Agent, als Landesverräter bezeichnet. Auf Protestdemonstrationen reagierte die Schah-Regierung mit dem Einsatz der Armee. Versammlungen zum Gedenken an die Toten führten zu neuen Demonstrationen, auf die die Regierung des Schahs wieder schiessen liess. Im November 1978 setzte der Schah eine Militärregierung ein. Massenproteste führten dazu, dass der Schah am 16. Januar das Land verliess, offiziell für eine Urlaubsreise. Am 1. Februar 1979 kehrte Ayatollah Chomeini in den Iran zurück. In seiner Rede auf dem Friedhof Behesht-e Zahra, wo viele der Toten der Revolution begraben waren, erklärte er die letzte Regierung des Schahs für illegal. Strassenkämpfe zwischen Revolutionären und Einheiten der Armee des Schahs folgten. Am 11. Februar erklärte die Armee ihre Neutralität. Eine revolutionäre Regierung unter Ministerpräsident Bazargan wurde eingesetzt, deren Ziel die Errichtung einer demokratischen Republik war. Auf die Besetzung der US-amerikanischen Botschaft am 4. November folgte der Rücktritt des Ministerpräsidenten. Der Machtkampf führte zur Vorherrschaft der politischen Islam-Partei unter Ayatollah Chomeini. Am 1. April 1979 wurde nach einem Referendum die Islamische Republik ausgerufen, die Verfolgung der Revolutionäre der Linken und der Nationalisten dauerte Jahre an.

In Polen entstand 1976 das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter KOR, das juristische und materielle Hilfe für die wegen Protestaktionen verfolgten Arbeiter mehrerer Industriebetriebe organisierte. Das KOR bestand aus einigen Dutzend linken Intellektuellen, die sich schon vorher, vor allem 1968, für demokratische Freiheiten engagiert und zum Teil langjährige Gefängnisstrafen verbüsst hatten. Die Mitglieder des KOR waren im Mittelpunkt eines Untergrunds, zu dem auch die Fliegende Universität und die Gruppe um die Zeitschrift Robotnikder Arbeiter – gehörte, die sich zum Ziel setzte, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und die Idee der selbsttätigen Organisation der Arbeiter zu verbreiten. Nach neuen Preiserhöhungen für Lebensmittel im Sommer 1980 brachen spontane Streiks in verschiedenen Regionen des Landes aus. Am 14. August begann der Streik in der Lenin-Werft in Gdansk, bei dem die kleine Robotnik-Gruppe in der Werft eine wichtige Rolle spielte. Die Streikenden verlangten die Wiedereinstellung der Kranführerin Anna Walentynowicz, die einige Tage zuvor entlassen worden war. Sie forderten Lohnerhöhungen und die Errichtung eines Denkmals für die getöteten Arbeiter von 1970. Rasch weitete sich der Streik auf andere Industriebetriebe und die städtischen Verkehrsbetriebe aus. Eine Woche später standen 600 Betriebe im ganzen Land im Streik und wurden von den Arbeitern besetzt. Delegierte aus dem ganzen Land fanden sich in der Lenin-Werft in Gdansk ein, ihre erste Forderung lautete nun: Das Recht auf von Staat und Partei unabhängige, selbstverwaltete Gewerkschaften. Zuerst wurde in den führenden Organen der Partei und der Armee der Einsatz bewaffneter Einheiten gegen die besetzte Werft geplant. Am 21. August kam eine Delegation von Partei und Regierung zu Verhandlungen in die Werft. Am 31. August wurde das Abkommen von Gdansk unterzeichnet, in dem die Staats- und Parteimacht 21 Punkte akzeptierte, u.a. das Recht auf unabhängige Gewerkschaften, die Abschaffung der Zensur, die Freilassung aller politischen Gefangenen.

Innerhalb von nur vier Monaten organisierten sich in der neuen Gewerkschaft mit dem Namen Solidarność zehn Millionen Menschen – fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Die Zeit der legalen unabhängigen Gewerkschaft  Solidarność dauerte 15 Monate. Am 13. Dezember 1981 verhängte die Partei- und Staatsmacht in Polen den Kriegszustand. Mehr als 10’000 wurden verhaftet, die Gewerkschaft Solidarność verboten.